Ester Nagy ist die jüngste selbstständige Ofenbauerin in der Schweiz.
Auch wenn wir den Eindruck haben, dass allmählich mehr Frauen im Ofenbau-Handwerk Karriere machen, ist die Vita von Ester Nagy noch in weiterer Hinsicht bemerkenswert, denn die jahrgangsbeste Schweizer Auszubildende hat sich schon 2024 im Alter von 20 Jahren selbstständig gemacht. Das ist allemal Grund genug, sie im Rahmen unserer Serie „Junge Talente“ vorzustellen.
Gleich nach der Lehre mit 20 Jahren eigene Chefin zu sein, beeindruckend. Wir haben Ester Nagy nach ihrem Lebensweg gefragt und wie es ist Ofenbauerein zu sein.
K&L-Maazin: Wann hast Du Dich entschieden, Ofenbauer zu werden – und was stand gegebenenfalls alternativ noch zur Wahl?
Ester Nagy: Während der Oberstufe bin ich viele verschiedene Lehrberufe schnuppern gegangen unter anderem zur Polymechanikerin, Konditorin, Floristin, Landschaftsgärtnerin. Ich verspürte eine starke Anziehung zu handwerklichen Berufen, ging aber zunächst auf Wunsch meiner Eltern ans Gymnasium. Dort lernte ich einen Schüler kennen, der drei Jahre über mir war und nach der Matura die Lehre zum Ofenbauer machen wollte. Das blieb irgendwie hängen und zwei Jahre später schnupperte ich bei vier verschiedenen Betrieben in den Beruf hinein. Danach war mir recht schnell klar, dass das der richtige Beruf für mich war.
K&L-Magazin: Welche Gründe waren es im Einzelnen, die ausschlaggebend für Deine Berufswahl waren?
Ester Nagy: Ich wollte einen handwerklichen Beruf erlernen, der vielfältig und kreativ ist. Außerdem gefiel mir beim Ofenbau, wie nahe es noch am traditionellen Handwerk ist und wie wenig von Maschinen abgelöst wurde. Die Mischung zwischen Tradition und neuen Technologien bietet viele Möglichkeiten, sich in eine Richtung zu spezialisieren und zu verwirklichen.
K&L-Magazin: Welche handwerklichen oder technischen Erfahrungen hattest Du womöglich schon vor Ausbildungsbeginn gesammelt?
Ester Nagy: Ich habe während der Oberstufe (7./8. Klasse) in meiner Freizeit in der alten Werkzeugschmiede Gehler geschmiedet. Damals war das ein Angebot des Schulsozialpädagogen David Oswald, das er an interessierte Jugendliche richtete. Schon nach kurzer Zeit entstand dort eine gute Freundesgruppe. Wir unterstützten uns gegenseitig, pushten uns zu immer ausgefalleneren Plänen und motivierten uns, diese umzusetzen. So entstanden viele Werkzeuge, Messer, Äxte und Schmuck. David Oswald hat mir gezeigt, dass der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind und dass man vor keinem Projekt zurückschrecken soll. Fehler passieren, um aus ihnen zu lernen, und wenn man dranbleibt, kann man sich selbst immer wieder von Neuem übertrumpfen.
Den Beruf Ofenbauer in den Schweizer Schulen zu vorzustellen, wäre ein guter Ansatz, da viele diesen Beruf gar nicht kennen.«
K&L-Magazin: Was hat Dir im Verlauf Deiner Ausbildung am besten gefallen und was gegebenenfalls auch nicht so gut?
Ester Nagy: Während meiner Ausbildung habe ich viele spannenden Einblicke in den Bau verschiedenster Anlagen bekommen. Vom Bau von Kachelöfen und verputzten Speicheröfen über Specksteinöfen, Kaminöfen und wassergeführten Anlagen bis hin zum Bau von Pizzaöfen und das Neu-Ausmauern von historischen Gestellöfen sowie Kochherden war alles dabei. Gelegentlich hätte ich mich gerne mehr in meine Arbeit eingebracht und mich tiefer mit den Anlagen auseinandergesetzt, was dann meine Entscheidung zur Selbstständigkeit mit beeinflusste.
K&L-Magazin: Was sollten Betriebe unbedingt (mehr) tun, um Ofenbau-Azubis zu gewinnen?
Ester Nagy: Ich denke, in der Schweiz ist vielen gar nicht bewusst, dass es diesen Beruf gibt und was man da so macht. Den Beruf in Schulen zu präsentieren, wäre daher sicher kein schlechter Ansatz. Und wenn die Betriebe motivierte Azubis haben, ist es wichtig, sie mit einzubeziehen, ihnen zuzuhören und Fehler zuzulassen beziehungsweise anschließend offen zu besprechen, wie man sie vermeiden kann.
K&L-Magazin: Welche Voraussetzungen sollten Ofenbau-Azubis mitbringen, um im Job gut zu werden?
Ester Nagy: Interesse am Beruf und Freude am Handwerk sind, meiner Meinung nach, die wichtigsten Voraussetzungen, die ein Azubi mitbringen muss. Auch ein gewisses handwerkliches Geschick und technisches Verständnis sind von Vorteil.
K&L-Magazin: Wie wichtig ist Dir das Arbeiten im Team?
Ester Nagy: Ich arbeite zwar gerne allein, aber ich schätze auch den Austausch und die gelegentliche Zusammenarbeit mit anderen OfenbauerInnen. Im letzten Jahr meiner Lehre konnte ich ein gutes Netzwerk in der Branche aufbauen, das sich dann mit meiner Selbstständigkeit erweitert hat. Ich werde durch die Zusammenarbeit mit anderen immer von Neuem inspiriert, und ich finde, dass von einem regelmäßigen Austausch beide Seiten stark profitieren können.
K&L-Magazin: Wie wichtig ist Dir der Kontakt zu Kunden/Auftraggebern?
Ester Nagy: Sehr wichtig. Ein Ofen ist das wärmespendende Herz des Hauses und es ist elementar, dass er zum Haus und seinen Bewohnern passt. Zufriedene Kunden sind die höchste Priorität, und das kann nur durch einen guten Austausch erreicht werden.
K&L-Magazin: Beschreibe ein schönes und womöglich auch ein problematisches Erlebnis mit Kunden (und wie Ihr es gelöst habt).
Ester Nagy: Mich überraschen immer wieder die Offenheit und das Vertrauen meiner Kunden. Ich werde manchmal einfach so zum Mittagessen eingeladen, sie erzählen mir aus ihrem Leben und lassen mich teilweise bei ihnen arbeiten, selbst wenn sie nicht zu Hause sind. Ich bin sehr dankbar für die vielen schönen Interaktionen, die ich im Verlauf der letzten Jahre erleben durfte.
K&L-Magazin: Beschreibe einen typischen Arbeitstag in Deinem Unternehmen.
Ester Nagy: Es gibt eigentlich keinen typischen Arbeitstag, da mein Alltag je nach Arbeit sehr unterschiedlich ist. Es gibt Tage, da bin ich nur auf der Baustelle, an anderen habe ich viele Kundengespräche und Besichtigungen. Manchmal arbeite ich den ganzen Tag in meiner Werkstatt, ein anderes Mal muss ich irgendwo unterwegs übernachten, weil ich jemandem etwas weiter weg aushelfe. Es kommt vor, dass die Kundschaft die ganze Zeit zu Hause ist und meine Arbeit eng mit verfolgt, manchmal sogar mithilft, und manchmal bin ich tagelang völlig allein. Ich finde diese Abwechslung schön und genieße alle Facetten.
K&L-Magazin: Wo siehst Du Dich (jobmäßig) in fünf bis zehn Jahren?
Ester Nagy: Ich hoffe, dass ich mich in den nächsten Jahren noch stärker mit dem traditionellen Ofenbau beschäftigen kann und freue mich auf viele spannende Projekte. Gerne würde ich auch selbst Kacheln herstellen. Dies befindet sich jedoch erst in der Experimentierphase. Ich wäre grundsätzlich auch offen in ein paar Jahren jemanden auszubilden, sofern ein Lehrverbund mit anderen Betrieben möglich wäre.
K&L-Magazin: Welche weiteren Interessen / Hobbies hast Du?
Ester Nagy: Ich beschäftige mich auch in meiner Freizeit gerne handwerklich und kreativ – etwa beim Gärtnern, Stricken, Kochen und Backen. Außerdem gehe ich einmal die Woche tanzen. Ich reise auch gerne. Besonders schön finde ich es, wenn ich das Reisen mit dem Beruf verbinden kann, wie zum Beispiel letzten Frühling beim Annual Meeting der Masonry Heater Association (MHA) in den USA, wo wir eine Woche lang in Gruppen verschiedene Grundöfen aufgebaut und in Betrieb genommen haben.
K&L-Magazin: Wurden Deine Erwartungen an den Beruf nach einiger Zeit der Ausübung eher positiv übertroffen oder stimmten sie weitgehend mit dem Bild überein, das Du im Vorwege von dem Beruf hattest?
Ester Nagy: Mir war vor meiner Lehre nicht bewusst, wie viele Teilbereiche es im Ofenbau gibt, in die man sich vertiefen kann (zum Beispiel traditioneller Ofenbau, wassergeführte Systeme, Cheminéebau etc.). Auch wurde mir erst während der Ausbildung bewusst, wie hoch die technischen Anforderungen beim Bau eines Ofens sind. Mich hat überrascht, wie viele verschiedene handwerkliche Berufe im Ofenbau vereint sind. Der Bau eines Ofens erfordert viele Disziplinen, wie zum Beispiel Mauern, Verputzen, Kacheln setzen, Fliesen legen, Arbeiten an Metall und Installationen. Man kann immer etwas Neues lernen und es macht Spaß, sich neue Fähigkeiten zu erarbeiten. Mit meiner Selbstständigkeit konnte ich diese Tätigkeiten noch erweitern, indem ich auch die Planung der Anlagen, Kundenberatung und Buchhaltung selbst mache.
K&L-Magazin: Abschließend – wie ist Dein persönliches Fazit?
Ester Nagy: Ich kann mich sehr glücklich schätzen, einen Beruf gefunden zu haben, der mich so sehr erfüllt und in dem ich meine Liebe zum Handwerk und meine Kreativität zu 100 Prozent ausleben kann. Nach dem ersten Jahr meiner Selbstständigkeit ziehe ich eine durchweg positive Bilanz. Ich durfte im letzten Jahr so viele tolle Menschen kennenlernen, an spannenden Projekten teilnehmen und als Ofenbauerin und auch als Mensch an den Herausforderungen wachsen. Ich möchte nochmal allen Danke sagen, die mich auf diesem Weg begleitet und unterstützt haben. Ich bin gespannt auf die folgenden Jahre und die neuen Chancen und Herausforderungen, die sie mit sich bringen und freue mich, meinen Weg als selbstständige Ofenbauerin fortsetzen zu dürfen.
K&L-Magazin: Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft.
Foto: Ester Nagy
Eine kleine Werkstatt, ein Lagerraum und der von den Eltern übernommene Großraum-Kombi sind das „Startkapital“, mit dem Ester Nagy in die Selbstständigkeit aufbrach.
Foto: Ester Nagy
Mittendrin beim Ofenbau ist Ester Nagy in ihrem Element.
Foto: Ester Nagy
Foto: Ester Nagy
Foto: Ester Nagy
Mit viel Liebe zum Detail hat Ester Nagy diesen historischen Kachelofen von Grund auf saniert. Er wartet jetzt im Lager auf einen passenden Kunden.
Info
Liebevoller Ofenaufbau
Diesen etwa 120 Jahre alten Ofen hat Ester Nagy restauriert. Nach viel Restauration und Vorbereitung hat sie den Ofen an seinem neuen Standort aufgebaut. Da das Haus eine direkte Anfahrt hatte, konnte es nur mit einer Raupenkarette erreicht werden, was allein schon ein kleines Abenteuer war. „Aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt, es war mir eine Freude neues Leben einzhauchen“, so Ester Nagy.
Foto: Ester Nagy
Lebenslauf Ester Nagy
12.10.2003 geboren in Budapest
Frühling 2008 Umzug in die Schweiz aufgrund des Berufs meines Vaters
2008-2018 Besuch von Kindergarten, Grund- und Sekundarschule in Grabs
2018-2022 Besuch der Kantonsschule Sargans (Gymnasium)
2022 Matura (Abitur) an der KSS und Beginn der Lehre
2022-2024 Lehre bei Kobler Ofenbau in Altstätten SG
Frühling 2024 Lehrabschluss
23. Juli 2024 Beginn meiner Selbstständigkeit
Foto: Ester Nagy
Sämtliche Herausforderungen nimmt Ester Nagy mit geradezu sprühend positiver Leichtigkeit als Grundeinstellung
Jetzt weiterlesen und profitieren.
+ K&L E-Paper-Ausgabe – acht Ausgaben im Jahr + Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv