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Eine Betrachtung zum nationalen und globalen Klimaschutz

Es sieht nicht gut aus

Langjährigen Lesern des K  &  L-Magazins ist der Name des Professors Franz Josef Radermacher nebst seiner drei Doktortitel womöglich schon zwei Mal begegnet – in den jeweiligen Nachberichten der Pressetage 2011 und 2013 im Hause des zur Raab-Gruppe gehörenden Abgastechnikspezialisten Kutzner + Weber. Radermacher ist als Wissenschaftler, Buchautor und Redner eine international anerkannte Kapazität, wenn es um Fragen einer global gerechten, ökosozialen Marktwirtschaft mit besonderem Fokus auf Maßnahmen zum Klimaschutz geht.

Damals sprach Radermacher – wie jetzt bei Windhager, dem österreichischen Hersteller hoch effizienter Holzheiztechnik – von den Chancen, die Klimakatastrophe noch in den Griff zu bekommen. Inzwischen scheint sein ursprünglicher Optimismus einer ziemlichen Ernüchterung gewichen zu sein. Viel Zeit sei ungenutzt verstrichen, um gesellschaftlich akzeptierte Maßnahmen zu ergreifen. Radermacher kritisiert außerdem, dass die Diskussionen auf europäischer Ebene, besonders aber in Deutschland, von ideologischen Wunschvorstellungen und Schwarz-Weiß-Denken geprägt sei. Er kritisierte insbesondere die fehlende Technologieoffenheit bei der Energie- und Verkehrswende. Fördermittel würden für wenig zielführende Technologien investiert, anstatt sie in globalen Klimaschutzprojekten anzulegen. Die Klimakrise sei aber nur auf internationaler Ebene wirksam zu bekämpfen. „Erfolg oder Misserfolg von Energiespar- und Klimaschutzmaßnahmen werden nicht in Deutschland und Europa, sondern in den bevölkerungsreichsten Ländern China, Indien und auf dem afrikanischen Kontinent entschieden“ ist eine von Radermachers Kernbotschaften.

Radermachers Vortrag übernahm im Wesentlichen die Inhalte eines über 40-seitigen wissenschaftlichen Berichts mit dem Titel „Weltweite Klimaneutralität – bis wann?“, der am von ihm geleiteten Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung/n (FAW/n) in Ulm erarbeitet wurde. Aus dem Bericht zitieren wir nachfolgend einige zentrale Passagen. Einleitend spricht der Report die wesentlichen Herausforderungen an: „Problematisch sind das weitere Wachstum der Weltbevölkerung, der legitime Anspruch auf nachholende Entwicklung in den Entwicklungs- und Schwellenländern wie zum Beispiel China und damit verbunden die weiter wachsenden weltweiten CO₂-Emissionen. In den reichen Ländern, vor allem in Europa, trifft man hingegen auf eine zunehmende Konzentration auf nationale „grüne“ Maßnahmen. Die Programme sind teuer, die Wirkungen für das Weltklima gering, aber wenigstens bleibt das Geld für grüne Projekte auf diese Weise im eigenen Land. Das lässt sich den Menschen vermitteln, nebst eventueller Wohlstandseinbußen. Vielen gibt dieses Programm ein gutes Gefühl, verbunden mit der fast religiös untermauerten Vorstellung, man tue das Richtige. Teilweise schwingt die Bereitschaft zur Buße mit, zum Ausgleich für die (Klima-)„Sünden“ der Vergangenheit.

Natürlich wird eine Klimakatastrophe so nicht verhindert werden. Sie wird uns voll treffen. Denn weltweite Klimaneutralität ist nicht in Sicht und steht leider auch nicht im Zentrum der deutschen/europäischen Klimapolitik. Entsprechende Sorgen bringt auch UNEP, die zuständige UN-Organisation, in ihrem jüngsten GAP-Report zum Ausdruck. UNEP befürchtet eine Erwärmung um über 3 ° C und mehr bis 2100, wenn die Weltgemeinschaft so weiter macht wie bisher. Die wichtigen Beiträge, die wir in Deutschland zur Vermeidung einer Klimakatastrophe über neue Technologien – von erneuerbaren Energien in Sonnenwüsten über grünen Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe, nicht-fossile Verbrenner, umgebaute Kohlekraftwerke und Industrieanlagen – rund um den Globus leisten könnten, werden nur beiläufig verfolgt. Das gilt auch für die sogenannten „Nature-based Solutions“, die gleichzeitig Entwicklung fördern, die Umwelt und Biodiversität schützen und die Klimabilanz verbessern (Negativemissionen). Leider leiste eine Klimaneutralität 2050 in Deutschland/Europa keinen entscheidenden Beitrag zur globalen Klimabilanz. Im Gegenteil. Indem dringend benötigte Finanzmittel, individueller Tatendrang und Aufmerksamkeit an der falschen Stelle gebündelt würden, trüge Klimaneutralität 2045/2050 in Deutschland /Europa möglicherweise dazu bei, das 2 ° C-Ziel nicht zu erreichen, von 1,5 ° C gar nicht erst zu reden.“ Laut dem Forschungsbericht ist „die soziale Frage zwischen Nord und Süd die zentrale Frage für eine eventuelle Lösung der Energie- und Klimaprobleme der Welt. In der öffentlichen Diskussion in unserem Land taucht dieses Thema aber kaum auf – auch nicht in den Positionen von Fridays for Future. Immer kreisen die Debatten alleine um Aktivitäten und Befindlichkeiten in der reichen Welt, genauer in Europa. ... Natürlich sind in den reichen Ländern auch die eigenen Programme zu fördern, aber nicht zu Lasten der internationalen Kooperation ...“

Dann wird der Bericht sehr deutlich: „Die Chancen für Zielerreichung stehen nicht gut. Und wenn die Welt in den Entwicklungs- und Schwellenländern scheitert, dann wird der Klimawandel auch die reiche Welt in aller Brutalität treffen. Das ist die Bottom-Line. Nie die globale Seite des Klimaproblems vergessen! Alle Bemühungen vor Ort, alle Opfer vor Ort sind sinnlos, wenn die globale Seite des Klimaproblems nicht wirkungsvoll adressiert wird.“ Wie wenig zielführend der Blick durch die klimanationalistische Brille sei, würde unter anderem am rasant steigenden Strombedarf für die geplante deutsche Energie- und Verkehrswende bei gleichzeitiger Reduzierung der grundlastfähigen Kraftwerkskapazitäten deutlich. Laut dem Bericht liegt der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern zurzeit unter 200 TWh, was rund einem Drittel des heutigen Gesamtstromverbrauchs von rund 600 TWh entspricht. Bei voller Elektrifizierung aller Sektoren würden aber in wenigen Jahren rund 1.850 TWh benötigt. Das alles habe aber wohl, nicht zuletzt aus Kostensicht, keine realistische Perspektive.

Bei aller Ernüchterung hat Radermacher aber auch heute noch Lösungsvorschläge zur Begrenzung des Klimawandels. Neben einer schon im Rahmen des Global Marshall Plans propagierten Wiederaufforstung von Regenwaldgebieten empfiehlt er auch unpopuläre Maßnahmen wie die Nutzung der Kernenergie und die CO₂-Einspeicherung durch Carbon Capture and Usage/Storage (CCUS). Außerdem sollten synthetische Kraftstoffe (vor allem auf Methanol basierend) eingesetzt werden, die sich in besonders ertragreichen sonnen- und windreichen Regionen der Erde produzieren ließen. Dort erzeugte e- oder re-Fuels hätten einen sofortigen Klimaschutzeffekt. Unter Anhängern der aktuellen „gesinnungsethisch geprägten“ Politik klingen viele dieser Vorschläge wie ein Griff in den Giftschrank. Aber würde die Politik die Realitäten nicht bald zur Grundlage ihrer künftigen Entscheidungen machen, warnt Radermacher vor massiven Wohlstandsverlusten in Europa und am Ende auch dem Verlust der (Über-)Lebensgrundlagen für Menschen.

Nach dem Vortrag äußerte sich Radermacher in einem persönlichen Gespräch unter anderem zur energetischen Holznutzung. Selbstverständlich sei die bei nachhaltiger Forstbewirtschaftung empfehlenswert. Allerdings habe auch die Lebensfreude am Kaminfeuer eine unbedingte Berechtigung. Man müsse die Bevölkerung bei der notwendigen Transformation mitnehmen; ohne eine breite Akzeptanz wäre der Umweltschutz ebenfalls zum Scheitern verurteilt. Eine Verbotspolitik sei da auf Dauer nicht hilfreich.

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