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Umfrage

Stimmungsbarometer der Branche

Die Corona-Pandemie ist noch nicht zu Ende, da erschütterte im Februar mit dem Russland-Ukraine-Krieg ein weiteres dramatisches Ereignis die Welt. Abgesehen von der humanitären Katastrophe werden massive Auswirkungen auf die globale Wirtschaft erkennbar. Insbesondere betrifft dies die verhängnisvolle Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern Erdgas, Kohle und Öl, die vor allem auch Deutschland allzu willfährig und bequem aus Russland bezogen hat. Neben den erheblichen Preissteigerungen für Heizöl und Erdgas, die unmittelbar nach Beginn der Kriegshandlungen folgten, ist auch die Versorgungssicherheit mit Wärmeenergie aus diesen Quellen schon für den kommenden Winter dramatisch in Frage gestellt. Für den Bereich Elektrizität sieht es nicht so viel besser aus. Hier drohen aufgrund volatiler Erzeugung (durch Windkraft und Solar sowie den sukzessiven Entfall stabilisierender Stromerzeugung durch Kohle und Kernenergie) und verstärkter Nachfrage (u. a. durch zunehmende ­E-Mobilität und elektrische Wohnraumbeheizung) „Blackouts“. Mit den folgenden Fragen möchten wir erfahren, ob und in welcher Weise der Krieg in Europa die Nachfrage nach Einzelraumfeuerstätten für Holz und auch für Gas schon jetzt beeinflusst hat und welche Prognose die angefragten Branchenvertreter aus den Verbänden, von Herstellern und auch aus dem Handwerk wagen. Dafür standen uns Rede und Antwort: Andreas Neuer, Ofenbaumeister und Inhaber von Kaminwelt Neuer in Lüdinghausen, Robert Mülleneisen, Ofenbaumeister und Geschäftsführer der 260° Kaminwerk GmbH & Co. KG in Leverkusen sowie Vorstandsvorsitzender des Gesamtverbands Ofenbau (GVOB), ferner Markus Bicker, Geschäftsführer bei Hafnertec in Waasen (A) und Tim Froitzheim, Fachreferent für Ofen- und Luftheizungsbau und erneuerbare Energien beim ZVSHK in Sankt Augustin.

K&L: Die ersten Wochen des neuen Jahres, also vor dem russischen Überfall auf die Ukraine, dürften noch im Zeichen der teils erheblichen Preissteigerungen bei Material- und Transportkosten gestanden haben, die die Branche im Jahr 2021 zu verkraften hatte. Deshalb die Frage an einen Hersteller und Händler der Branche: Haben Sie auch Preissteigerungen weitergeben müssen? In welcher Höhe und ab wann?

Markus Bicker

Foto: Markus Bicker

Markus Bicker
Robert Mülleneisen

Foto: Robert Mülleneisen

Robert Mülleneisen
Andreas Neuer

Foto: Andreas Neuer

Andreas Neuer

Markus Bicker: Aufgrund unserer hohen In-House-Fertigungsrate und des Ankaufs von Lagerbeständen konnten wir unsere Preise im Vergleich relativ lange stabil halten. Unglücklicherweise mussten schließlich auch wir nachziehen und Preissteigerungen kommunizieren. Dabei geben wir nach wie vor nur den allernotwendigsten Teil an unsere Kunden weiter und hoffen, dass wir den derzeitigen Energiekostenzuschuss nach Beruhigung der Märkte wieder ganz erlassen können.

K&L: An das OL-Handwerk gerichtet: Wie sind Sie mit den Preissteigerungen der Hersteller/Händler gegenüber Ihren Kunden/Auftraggebern ­umgegangen – insbesondere bei Angeboten, die Sie womöglich noch mit alten Kalkulationen abgegeben hatten und die noch nicht ausgeführt waren?

Andreas Neuer: Bei bereits erteilten Aufträgen unserer Kunden haben wir die Mehrkosten übernommen. Bei Angeboten, die auf Basis der alten Preise kalkuliert waren, haben wir uns die Mehrkosten in der Regel mit dem Kunden geteilt.

Robert Mülleneisen: Die Preissteigerung durch die Hersteller konnte ich zum Teil an die Kunden weitergeben. Leider ging das nicht bei allen Projekten. Viele Kollegen in der Branche berichteten davon, dass sie Angebote umstrukturieren und ihre Kalkulation anpassen mussten. So lernen wir alle daraus.

K&L: Eine Frage an Hersteller beziehungsweise Händler und Verbände: Hatten Sie überdies mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen? Falls ja, in welchen Produkt-/Rohstoffbereichen gab es hier die größten Probleme? Lagen die Lieferschwierigkeiten eher an einer Rohstoffknappheit oder an besonders hoher Nachfrage (Vollauslastung Ihrer Produktions­kapazitäten)? Um wie viel länger waren dadurch die durchschnittlichen Lieferzeiten?

Robert Mülleneisen: Ich glaube, dass Lieferschwierigkeiten aktuell in jeder handwerklichen Branche große Probleme verursachen. Gerade bei uns liegen die Lieferschwierigkeiten wahrscheinlich eher an der Vollauslastung der Produktion und der damit verbundenen hohen Nachfrage an Produkten.

Markus Bicker: Auch dabei kam uns unser interner Fertigungsprozess zugute, und wir konnten die Folgen der Lieferschwierigkeiten sehr lange abfedern. Inzwischen merken allerdings auch wir, dass einzelne Komponenten außergewöhnlich lange Lieferzeiten haben oder nur eingeschränkt lieferbar sind, was unseren Fertigungsprozess zukünftig belasten könnte. Grundsätzlich erkennt man inzwischen in nahezu allen Rohstoff- beziehungsweise Produktbereichen eine gewisse Entwicklung, was Lieferzeiten und Verfügbarkeit angeht.

K&L: Einige Fragen an das OL-Handwerk: Inwieweit war Ihre Auftragslage gegebenenfalls durch Lieferverzögerungen der Hersteller beeinträchtigt? In welchen Bereichen wirkten sich diese am stärksten aus? Wie haben Sie dies vor Ihren Endkunden verargumentiert? Wie sind die Endkunden damit umgegangen?

Andreas Neuer: Die Auftragslage wurde durch die Lieferverzögerungen weniger beeinträchtigt. Ein Problem war die Planbarkeit der Baustellen, da auch die genannten Liefertermine oftmals nicht eingehalten wurden. Dadurch war es uns häufig nicht möglich, die Kamine zum optimalen Zeitpunkt im Neubau zu installieren. Teilweise waren die Kunden dann schon eingezogen. Der Arbeitsaufwand war dann bedeutend größer, da ja die umliegenden Bauteile und die Wohneinrichtung geschützt werden mussten. Wir haben die Kunden über Verzögerungen frühzeitig informiert und sind fast immer auf Verständnis gestoßen, da sich ja eigentlich alles verzögert hat.

Tim Froitzheim

Foto: Tim Froitzheim

Tim Froitzheim

Robert Mülleneisen: Die Auftragslage ist bis jetzt durch die Lieferverzögerungen nicht beeinträchtigt. Durch das hohe Auftragsaufkommen werden die Projekte kompensiert, die aufgrund der hohen Lieferzeiten abgesagt werden. Ich könnte mir vorstellen, dass dies bei diversen Produktgruppen allerdings noch für Probleme sorgen wird. Aktuell sind die Wartezeiten auf Pelletkaminöfen und Rohre am längsten. Vor Endkunden kann man dies einfach mit der eigenen Unsicherheit innerhalb der Lieferkette verargumentieren. Viele Kunden sind dies mittlerweile gewohnt und warten dadurch gerne auf ihre Kamine oder fangen entsprechend früher mit der Planung an.

K&L: Im Februar begann der Russland-Ukraine-Krieg. Wie wirkte sich dieser bis jetzt auf Ihr Geschäft aus? Ab wann haben Sie eine dadurch begründete Veränderung der Anfragen/der Auftragslage gespürt?

Andreas Neuer: Vor dem Russland-Ukraine-Krieg hatten wir durch Corona sowieso eine erhöhte Nachfrage. Eigentlich wäre diese wetter- und jahreszeitlich bedingt im März zurückgegangen. Tatsächlich ist das Geschäft aber im März gefühlt voller gewesen als noch im Februar und es ist derzeit auch keine Verringerung zu spüren.

Robert Mülleneisen: Durch den Kriegsbeginn in der Ukraine ist die Nachfrage nach Kaminöfen mit Back- oder Kochfunktion beziehungsweise nach Herden exponentiell gestiegen. Gaskamine haben fast gar keine Nachfrage mehr. Diese Veränderung trat ziemlich schnell auf, nachdem die Energiepreise erhöht wurden.

Markus Bicker: Die Veränderung und Steigerung der Anfragen beziehungsweise der Auftragslage war relativ rasch spürbar. Sobald die Berichterstattung dichter wurde, wurde auch die Unsicherheit der Menschen spürbar, die bislang von fossilen Brennstoffen abhängig sind. Die Anfragen in unserem Unternehmen sind seither definitiv gestiegen und auch deren offenbare Dringlichkeit ist erkennbar.

Tim Froitzheim: Die Menschen sind stark verunsichert. Infolgedessen stieg die Nachfrage nach Holzfeuerstätten extrem an. Es ist das Bedürfnis nach Sicherheit.

K&L: Welche Ofengattungen werden seit Kriegsbeginn in der Ukraine besonders nachgefragt und – aus Ihrer Sicht – weshalb? (Anmerkung: Wir hörten, dass statt „Komfortfeuer“ jetzt die Wärmeerzeugung wieder stärker im Vordergrund steht – zur Heizkostenersparnis bei der Zentralheizung, aber auch zur Steigerung der Versorgungssicherheit. Auch sollen Feuerstätten mit Kochmöglichkeit stärker nachgefragt sein. Können Sie das bestätigen?)

Andreas Neuer: Tatsächlich ist die Nachfrage nach Öfen mit Warmwassererzeugung deutlich gestiegen. Vor dem Krieg haben uns sicherlich 80 Prozent der Kunden gesagt, sie bräuchten den Ofen nicht zum Heizen, der sei eigentlich nur für die Gemütlichkeit gedacht. Das hat sich auf jeden Fall gewandelt, nun soll der Ofen zwar auch für die Gemütlichkeit sorgen, aber gleichzeitig so viel wie möglich des Hauses mitheizen. Die Nachfrage nach Holzherden oder Kaminöfen mit Kochplatten ist bei uns nur sehr leicht angestiegen.

Robert Mülleneisen: Wie bereits angesprochen werden Geräte mit über das reine Heizen hinausgehenden Funktionen wie Kochen wieder stärker angefragt. Ich verstehe den Gedanken, eher möglichst autark leben zu wollen, bin aber der Meinung, dass viele Kunden den Mehraufwand durch Holzhacken, Lagern und verheizen nicht vollumfänglich bedenken. Bei Kaminen, die mehr der nachhaltigen Wärmeerzeugung dienen, ergibt eine Investition jedoch selbstverständlich Sinn.

Markus Bicker: Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Nachfrage nach Speicheröfen, die als Ganzhausheizung eingesetzt und vor allem auch autark betrieben werden können, besonders hoch ist. Neben den Vorteilen der Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit des Heizens mit Holz spielt vor allem der Aspekt der Unabhängigkeit eine große Rolle. Die Menschen möchten definitiv vermehrt unabhängig von fossilen Brennstoffen und deren Lieferanten sein. Da wir inzwischen mit dem DFR, dem Dualen Feuerraum, der sowohl mit Stückholz als auch mit Pellets befeuert werden kann, eine Möglichkeit entwickelt haben, den Komfort, nicht an das Einheizen denken zu müssen, auch beim Heizen mit Holz zu genießen, bringt diese Art des Heizens nur noch Vorteile mit sich. Und besonders jetzt sehen sich sehr viele nach einer ebenso bequemen aber weitaus unabhängigeren und umweltfreundlicheren Alternative um.

Tim Froitzheim: Ja, stromlos betriebene Holzfeuerstätten mit ­Wärmespeicher – oder noch besser mit Kochmöglichkeit – werden besonders stark nachgefragt. Auch hier steckt eindeutig das Bedürfnis nach Sicherheit dahinter.

K&L: Jahrelang erlebte der Markt für Gasfeuerstätten erhebliche Zuwachsraten. Wie beurteilen/erleben Sie die Entwicklung vor dem Hintergrund der aktuellen Energiediskussion insbesondere bei Erdgas? Wie sieht es mit Flüssiggasgeräten aus? Mit welchem Aufwand ist gegebenenfalls eine nachträgliche Umrüstung von Erdgaskaminen auf Flüssiggas möglich?

Andreas Neuer: Da wir eher im ländlichen Bereich tätig sind, sind Gaskamine eher im repräsentativen Bereich gefragt. Dort ist die Nachfrage fast unverändert. Ein Umbau ist am Gerät recht einfach möglich, indem die Düse des Brenners getauscht wird. Problematischer ist hier sicherlich die Umrüstung der Gasleitung und das kann im Einzelfall einfach machbar sein, oder wahnsinnig aufwendig.

Robert Mülleneisen: Aktuell ist die Nachfrage nach Gasfeuerstätten komplett eingebrochen. Ich bin der Meinung, dass erdgasbetriebene Gasfeuerstätten in Zukunft nicht mehr den Großteil der Neuinstallationen in diesem Bereich ausmachen, sondern eher Biogas- und Flüssiggaskamine. Häufig ist eine Umrüstung von Erdgaskamin auf Flüssiggas mit relativ wenig Aufwand möglich. Bei den meisten Herstellern muss hier lediglich eine Düse getauscht und neu eingestellt werden.

Tim Froitzheim: Für Gasgeräte hat sich die Ausgangssituation in der Tat geändert. Vor dem Krieg waren diese Geräte insbesondere in Ballungsräumen ein gefragtes Livestyle-Produkt. Die Umrüstung auf Flüssiggas ist grundsätzlich möglich. Die Regeln für die Aufbewahrung der Flaschen im Wohnraum müssen dringend berücksichtigt werden. Hier darf es keine Kompromisse auf Kosten der Sicherheit geben, denn um den Wunsch nach Sicherheit geht es hier ja letztlich.

K&L: Welche Geschäftsentwicklung erwarten Sie für das laufende Jahr 2022?

Andreas Neuer: Die aktuelle Nachfrage übersteigt die personellen und materiellen Kapazitäten deutlich, sodass die Entwicklung weiter steigen wird. Allerdings befürchte ich, dass wir im Herbst Lieferzeiten haben werden, die weit in 2023 hineinreichen. Da dann Ende 2024 die letzte Stufe der BImSchV-Stilllegungen ansteht, kann ich derzeit keinen Grund erkennen, warum die Nachfrage deutlich sinken sollte. Eine leichte Normalisierung würde sogar ein wenig Druck aus dem Markt nehmen und allen Marktteilnehmern das Leben erleichtern.

Robert Mülleneisen: Je nachdem, wie lange der Konflikt in der Ukraine noch andauert, gehe ich von weiter steigender Nachfrage und stabiler Auftragslage für das laufende Jahr 2022 aus. Im Anschluss kommt es darauf an, ob die Politik das Heizen mit Holz als umweltverträglich einstuft. Hier wäre es wichtig für die Branche, bei der Politik Gehör zu finden zu dem Thema, wie sehr Heizen mit Holz der Energiewende helfen kann. An der Stelle ist aber nicht nur der Dialog zwischen Politik und der Branche wichtig, sondern auch der Dialog zwischen Politik und den Endverbrauchenden. Diese sollten über ein nachhaltiges Heizverhalten mit dem Brennstoff Holz aufgeklärt werden. Häufig ist noch das Bild im Kopf, dass, sobald ein Stoff verbrannt wird, es eine negative Auswirkung auf die Umwelt hat. Dies hängt jedoch von vielen Parametern ab und ist beispielsweise stark von der Temperatur im Brennraum und dem Trocknungsgrad des Holzes abhängig.

Markus Bicker: Mit Erwartungen und Prognosen sind wir besonders jetzt, in unserer offensichtlich unsicheren und schnelllebigen Zeit, eher sparsam. Wir hoffen auf jeden Fall, dass sich die Märkte wieder so weit beruhigen, dass sich auch die Kostensteigerungen stabilisieren und die Produkt- und Rohstoffversorgung keinen Grund mehr zur Sorge gibt. Außerdem werden wir uns natürlich darum bemühen, der Auftragslage gerecht zu werden und begrüßen den Trend zur Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit natürlich – wenn auch jetzt der Grund für den momentan sehr verstärkten Antrieb leider ein sehr tragischer ist.

Tim Froitzheim: Wir erwarten durch den Krieg ein weiteres deutliches Wachstum in der OL-Branche.

K&L: Was wäre zum Themenbereich der Energie- und Wärmeversorgung Ihr dringendster Wunsch an die aktuelle Bundesregierung?

Andreas Neuer: Verlässlichkeit für Marktteilnehmer und Kunden. Derzeit werden alle durch rein ideologische Aussagen verunsichert. Wir wollen doch gerne saubere Kamine bauen, aber dafür müssen verlässliche Richtlinien und Rahmenbedingungen her. Ständig neue Forderungen helfen hier keinem weiter.

Robert Mülleneisen: Meiner Meinung nach ist die Energiewende nur mit der Holzfeuerung zu schaffen. Gerade durch den Einsatz von regionalem Holz können viele Haushalte unabhängig heizen. Daher wäre mein Wunsch an die aktuelle Bundesregierung, mit uns in den Dialog zu treten, um über Vor- und Nachteile, Chancen und Herausforderungen rund um das Thema Heizen mit Holz zu sprechen.

Markus Bicker: Verstärkte Aufklärung und weitere Bemühungen, um nachhaltigere und umweltfreundlichere Alternativen zu fossilen Brennstoffen noch attraktiver für den Endkunden zu machen.

Tim Froitzheim: Die Holzfeuerstätte muss als gleichwertiger Wärme­erzeuger (entsprechend Wärmepumpen und anderen) akzeptiert und gesetzlich im GEG verankert werden.

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