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Jubiläum

125 Jahre Firma Kohl in Grünstadt

Der 53-jährige Stephan Kohl betont und lebt in seinem Betrieb zwei bekannte Sinnsprüche: „Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche“. Und zum anderen  „Handwerk hat goldenen Boden“. Kohl setzt dabei nicht auf Masse und den schnellen Euro, sondern auf die Qualität des Materials. Und die Qualität der Ofenbauer-Arbeit, sozusagen seines „Hand-Werks“.

Zur Suche und Förderung von Auszubildenden setzt sich der Pfälzer Ofenbauer auch in führender Position in Innung und Fachverband ein und präsentiert sein Handwerk regelmäßig bei Berufs-orientierungstagen an den regionalen Schulen. „Wir haben keinen Auszubildendenmangel, sondern einen massiven Mangel an ausbildungswilligen Ausbildern“, meint Kohl dazu.

„Nur noch 10 Prozent der Ofenbauer in Deutschland bilden aus. Das ist ein Armutszeugnis für unser Handwerk. Wenn wir selbst nicht bereit sind auszubilden, woher soll dann der dringend benötigte Nachwuchs kommen?“, fragt er sich. „Bei uns Ofenbauern fehlen nicht willige Auszubildende, sondern die Meister, die auch ausbilden“, wirbt Kohl bei seinen Kollegen für die Qualifizierung des Nachwuchses. Seit er Firmenchef sei, habe er auch immer einen Azubi gehabt, so Kohl: „Man muss sich nur etwas bemühen, und auch mal in die Schulen gehen und sich und seinen hochattraktiven Beruf den Schüler und Schülerinnen präsentieren.“

Die ehrenamtliche Vorstandsarbeit in Fachverbänden ist Kohlsche Tradition. Schon Vater Gerhard und Großvater Julius saßen in führenden Gremien der Vertretungen des Gipser-, Fliesenleger- oder Kachelofenbauerhandwerks. Urgroßvater Martin Kohl und dessen Bruder Philipp waren sogar eine Art Gründerväter der ersten Interessenvertretung für Betriebe des damals recht neuen Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerks: So wurde erst im Jahr 1908 der „Deutsche Arbeitgeberverband im Plattengewerbe e. V.“ mit Sitz in Berlin gegründet. In früheren Zeiten waren in Deutschland Wandverkleidungen aus Keramik nicht üblich, lediglich rund um Öfen oder über Küchenspülen wurden Kacheln angebracht. Diese Arbeit hatte vor 100 Jahren der Ofenbauer, oder bei Wandverkleidungen auch der Gipser, übernommen.

Stephan Kohl ist Obermeister der Ofen- und Luftheizungsbauer­innung der Pfalz, Landesfachgruppenleiter Rheinland-Pfalz und Mitglied der Bundesfachgruppe Ofen- und Luftheizungsbau. Darüber hinaus überprüft er als Experte seiner Handwerkssparte auch die Qualität von Anderen, ist er doch zusätzlich als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Handwerkskammer der Pfalz tätig. „Unser Betrieb wird von zwei Chefs geführt: Meine Frau Ute ist verantwortlich für den Verkauf der Kaminöfen und die Verwaltung, ich für die Beratung, technische Umsetzung und Planung der Ofenanlagen“, betont das ehemalige Grünstadter Stadtratsmitglied. Sein kommunalpolitisches Engagement hat er 2015 für das Amt des Obermeisters aufgegeben, weil er es wichtiger fand, in der Handwerkspolitik etwas zu bewegen.

In dem Grünstadter Kamin- und Kachelofenstudio in der Carl-Zeiss-Straße arbeiten derzeit drei Azubis. Allerdings kann man zwei davon als Teil der „Nachfolger-Ausbildung“ sehen. Neben Enkeltochter Joelle als kaufmännische Auszubildende ist Schwiegerenkel Kevin als Ofenbauer-Azubi tätig. Mit Joelle und Kevin werde das ohnehin „familiäre Betriebsklima“ noch familiärer und die Nachfolge sei gesichert, so Kohl, denn auch Stieftochter Nicole ist schon seit über 15 Jahren im Betrieb und Büro tätig.

Die Belegschaft ist schon seit Jahren dieselbe, in den vergangenen Jahrzehnten habe es nur ganz wenige Kündigungen und unterdurchschnittliche Fehlzeiten der Mitarbeiter gegeben. Das familiäre Betriebsklima unter den zehn Mitarbeitern führen Stephan und Ute Kohl aus Überzeugung fort. Frei nach dem erstgenannten Sinnspruch über die „Weitergabe des Feuers“. Die Beständigkeit in Person dabei ist Sekretärin und Buchhalterin Ilke Schmidt, die seit knapp 50 Jahren für und mit der Familie Kohl im Büro und Verkauf arbeitet, anfangs im Fliesengeschäft bei Vater Gerhard und nunmehr seit über 28 Jahren auch im Kachelofenstudio von Sohn Stephan. „Den Stephan hab ich ja schon als ganz kleinen Knirps gekannt“, schmunzelt Schmidt über ihren Chef, die mittlerweile mehr Familienmitglied als Mitarbeitern ist.

Auch schon in den früheren Generationen wurde Familientradition intensiv gelebt. So war schon Gretel Kohl, Großmutter von Stephan und Frau von Julius Kohl, ihr Leben lang mit im Betrieb tätig und hat diesen sehr erfolgreich durch die Kriegszeiten hindurch geführt. In den 40er-, 50er- und 60er-Jahren fuhr Gretel Kohl zum Beispiel mit dem LKW die Arbeiter und Materialien auf die Baustellen und holte in Mosbach Fliesen und Kacheln, was damals eine Tagestour bedeutete. Als LKW-fahrende Frau war sie in dieser Zeit eine Sensation und überregional dafür bekannt.

Die Firma Stephan Kohl ist, wie die ganze Branche, sehr gut durch die Corona-Krise gekommen. Inzwischen boomt das Geschäft noch mehr, die Auftragsbücher sind übervoll. „Wie alle Ofenbauer sind wir auf Monate im Voraus ausgebucht. Uns erreichen täglich zwischen 100 bis 200 Telefonanrufe und E-Mails.“ Daher könnten Anfragen auch nicht in der Zeit bearbeitet werden, in der man ansonsten gewohnt ist Antwort zu bekommen. „Derzeit liegen wir bei sechs bis zwölf Wochen Bearbeitungszeit bei Neuanfragen. Hinzu kommt, dass viele Produkte ausverkauft oder nur mit sehr langen Wartezeiten lieferbar sind“, erläutert Stephan Kohl. Dadurch müssen Kunden mit einer Vorlaufzeit von einem Jahr und länger für den Aufbau ihrer Ofenanlage rechnen. „Wer jetzt diesen Herbst und Winter kommt, den müssen wir auf 2024 vertrösten.“

Seit der Gründung der Firma „Philipp und Martin Kohl“ im Jahr 1897 ist eine solche Markt-Konstellation und Auftragslage sicherlich einmalig. Und auch in den nächsten Jahrzehnten wird das Ofenbauerhandwerk der kommenden Generationen „goldenen Boden“ bieten.

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