Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Interview gemeinsamer Betrieb von Lüftung und feuerstätten

Die Sicht der anderen Seite

K&L-Magazin: Im Dezember 2021 einigte sich der interdisziplinär zusammengesetzte „Expertenrat“ auf ein gemeinsames Papier zum „Gemeinsamen Betrieb von Lüftungsanlagen und Einzelraumfeuerstätten“, dass die Verantwortlichkeiten zwischen den Herstellern von Öfen und Kaminen einerseits und Lüftungsanlagenherstellern andererseits nebst der jeweils ausführenden Handwerkerschaften definiert. Worin lagen aus Sicht eines Lüftungsanlagenherstellers in der Vergangenheit die regelungsbedürftigen Probleme?

Uwe Schumann: Die Aufgabenstellung (gemeinsamer Betrieb) war und bleibt sehr vielschichtig. In den letzten 30 Jahren haben sich die Gebäudehüllen grundlegend verändert, das heißt, sowohl die thermischen Eigenschaften, vor allem aber die Luftdichtheit wurden radikal verbessert. Aus Sicht der Energiepreisentwicklung und der Klimaschutzaufgaben des Gebäudesektors ist das nicht nur konsequent, sondern meines Erachtens auch alternativlos. Auf der Seite der Feuerstätten ging die Entwicklung nicht ganz so rasant vonstatten. Zwar wurde die raumluftunabhängige und DIBt- geprüfte Version schon vor Jahren eingeführt, sie fristet aber im Gesamtabsatz der Feuerstätten eher ein Schattendasein. Wir versuchen also Regelwerke beziehungsweise Randbedingungen zu schaffen, die eine Feuerstättenidee aus dem letzten Jahrtausend (Raumluftverbund) in einem hochdichten Niedrigstenergiehaus (GEG-Standard) betriebsfähig und sicher umsetzbar macht. Im Kern braucht eine Feuerstätte also eine gesicherte Verbrennungsluftzufuhr, die in modernen beziehungsweise energetisch sanierten Gebäuden unmöglich aus dem Raumluftverbund stammen kann und gasdichte beziehungsweise sichere Brennräume und Abgaswege (inklusive Ofentür) für einen ordnungsgemäßen Betrieb. Bei Öl- oder Gasbrennwertgeräten ist das seit Jahren gängige Praxis, hier kümmern sich integrierte Ventilatoren um die Verbrennungsluftzufuhr und der RLUA- Betrieb ist bis 50 Pa Differenzdruck (entspricht zirka 30 km/h Windgeschwindigkeit beziehungsweise 5 bft) sichergestellt. DIBt-zugelassene RLUA- Festbrennstofffeuerstätten hingegen sind nur bis 8 Pa Differenzdruck (zirka 12 km/h beziehungsweise 2,5 bft) geprüft und RLA- Feuerstätten können mit Druckdifferenzen über 4 Pa gar nicht mehr zurechtkommen. Aus Lüftungsherstellersicht gab und gibt es hier unterschiedliche Problemstellungen, was einerseits auf die unterschiedlichen Betriebsweisen der Systemansätze zurückzuführen ist. Bei reinen Entlüftungslösungen (DIN 18017-3 bzw. 1946-6) könnte ein möglicher Unterdruck Gefahrenpotenzial haben, während Zu- / Abluftsysteme hier eher positiv regulierend arbeiten würden. Ersteres löst man mit ausreichend dimensionierten Außenbauteil-Luftdurchlässen (ALD) also Nachströmöffnungen in der Gebäudehülle und Letzteres mit balancierter Betriebsweise. Andererseits liegen die Herausforderungen für uns Hersteller weniger im Produkt als in der Ausführung. Sind also die ALD bei Entlüftungslösungen unzureichend geplant beziehungsweise eingebaut oder ist das Verteilnetz bei Zu-/Abluftlösungen fehlerhaft geplant oder ausgeführt und/oder die Lüftungsgeräte nicht eingestellt, besteht die Gefahr, dass 4 oder 8 Pa Differenzdruck mitunter erreicht, im schlechtesten Fall sogar mal überschritten werden können. Nicht selten werden von Lüftungsherstellern auch nur Geräte verkauft, wobei sich das Betrachtungsszenario aber immer um das gesamte System dreht. Das Hauptproblem lag historisch also überwiegend in der Zuständigkeits- und Lösungsfrage. So wurde in der Vergangenheit die Forderung nach „eigensicheren“ Lüftungsgeräten zwar adressiert, ohne aber ausreichend zu berücksichtigen, dass sowohl in der Montage, der Einregulierung, der Wartung als auch im Betrieb eine Einflussnahme Dritter mit Fehlerpotenzial dauerhaft möglich blieb. Ein Fakt, dem entwicklungstechnisch einfach kein Kraut gewachsen ist.

K&L-Magazin: Wie bewerten Sie das Ergebnis des Expertenrats? Was ist jetzt klarer geworden als vorher?

Uwe Schumann: Nun ist mit der Feuerstätte nebst Abgasanlage die Gefahrenquelle selbst eindeutiger definiert, und lüftungstechnische Anlagen werden richtigerweise als mögliche Gefahren-Katalysatoren beschrieben. Hier gab es in der Vergangenheit regelmäßig Missverständnisse unter den Beteiligten. Neben deutlich klareren Zuständigkeitsregeln und besser definierten Aufgabenstellungen hat sich aus unserer Sicht vor allem die Betrachtungsweise lüftungstechnischer Maßnahmen zielführend verändert. Jetzt können wir in unserer Branche vom sogenannten „bestimmungsgemäßen Betrieb“ ausgehen und haben somit erfüllbarere Rahmenbedingungen. Klassische Fehlfunktionen von Lüftungsgeräten (zum Beispiel der Ausfall des Zuluftventilators) konnten schon in der Vergangenheit regelungstechnisch mit einer Sicherheitsabschaltung gelöst werden, aber eben keine falsch oder gar nicht eingestellten Luftmengen. Letzteres ist nun klar dem ausführenden Monteur zugeordnet. Gerade hier macht es Pluggit mit seinen überwiegend druck- beziehungsweise volumenstabilen (KonstantFlow bei PluggPlan oder optional ServoFlow bei den AP- beziehungsweise PluggEasy-Serien) einheitszentralen Gerätelösungen dem Handwerk schnell, einfach und sicher möglich, einen balancierten Anlagenbetrieb einzurichten. Ebenso ist es meines Erachtens endlich gelungen, einen Konsens zwischen allen Beteiligten zu finden, das heißt, jeder hat in etwa gleich viele Rahmenbedingungen und Leistungs- beziehungsweise Produktdeklarationen umzusetzen. Leider ist damit natürlich auch der Stapel an Übergabedokumenten wieder ein gutes Stück höher geworden. Immerhin sollen hier aber Online-Möglichkeiten geschaffen werden.

K&L-Magazin: Sehen Sie nach wie vor ungeklärte Fragen und wenn ja, welche?

Uwe Schumann: Überprüfungen durch Differenzdruckmessverfahren (4 beziehungsweise 8 Pa Test) ergeben in der Regel einen sehr guten Überblick zum IST-Zustand der örtlichen Anlagenkombinationen. Ich habe selbst schon einige davon durchgeführt. Leider sind diese Verfahren aber baurechtlich nicht in allen Bundesländern zugelassen und somit nicht in der Matrix als Lösungsansatz aufgeführt. Hier sehe ich zeitnahen Handlungsbedarf, da künftig in großer Zahl auch ältere Gebäude energetisch ertüchtigt werden und in diesem Zuge die Gebäudedichtheit zunimmt. Offen bleibt für mich auch die Frage, warum bei der Betriebssicherheit von Feuerstätten mit zweierlei Maß gemessen wird, also bei festen Brennstoffen 8 Pa und bei flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen 50 Pa Drucksicherheit für einen raumluftunabhängigen Betrieb erforderlich sind. Zumindest unklar ist, warum der Einsatz raumluftabhängiger Feuerstätten in neuen beziehungsweise sanierten Gebäuden nicht generell sanktioniert wird. Der erforderliche Aufwand an DIBt-geprüften Sicherheitseinrichtungen reicht hierbei von raumweise notwendigen Fensterkontaktschaltern für abluftbetriebene Dunstabzugshauben, Ablufttrockner oder Zentralstaubsauganlagen bis zu Unterdrucksicherheitseinrichtungen für jedwede lüftungstechnische Maßnahme. Das alles muss nicht nur geliefert, eingebaut, eingestellt und aufeinander abstimmt werden, sondern auch dauerhaft funktionsfähig bleiben und wird den Überprüfungsaufwand und die Kosten der Schornsteinfeger sicher nicht sinken lassen. Darüber hinaus ist bei Gebäude-Dichtheitswerten n50 ≤ 1,5-1 ein Raumluftverbund meines Erachtens nur noch in der Theorie umsetzbar, und das Gefahrenpotenzial steigt unnötig an und zwar unabhängig davon, ob Lüftungstechnik überhaupt zum Einsatz kommt oder nicht. Ebenso werden im Zuge des Klimawandels Starkwindereignisse nicht bloß häufiger, sondern auch immer extremer. Auch das spricht schon aus physikalischer Sicht gegen raumluftabhängige Betriebsweisen.

K&L-Magazin: Wo sehen Sie das größte Risiko bei der Umsetzung der getroffenen Vereinbarung?

Uwe Schumann: Aufgrund galoppierender Energiepreise und verständlichen Verfügbarkeitsängsten steigt aktuell die Nachfrage nach Einzelfeuerstätten exponentiell an und führt bereits zu Liefer- beziehungsweise Einbauengpässen. Wartezeiten von über einem Jahr sind eher Regel als Ausnahme. Vor diesem Hintergrund wird die Aufgabenstellung sicher nicht leichter, den Verbrauchern als Laien alle Zielkonflikte dieser hochkomplexen Thematik verständlich zu erklären und eine positive Kaufentscheidung für den Technologiemix zu erreichen. Jeder mit Baustellenerfahrung weiß, wie schwer heute gewerkeübergreifende Kommunikation umsetzbar ist. Von echter, fairer Abstimmung will ich da schon gar nicht mehr reden. Auch der generelle Kenntnisstand zur Sachlage innerhalb der Gewerke ist nahezu beliebig vielfältig. Bis alle Beteiligten auf dem gleichen Wissensstand sind, dürften Jahre vergehen, was aber Bedingung für einen möglichst reibungslosen Ablauf ist. Hier würde eventuell eine Verpflichtung zu ingenieurtechnischer Planung der gesamten Anlagentechnik weiterhelfen und auch Zeit, Nerven und vor allem Kosten sparen. Auch Architekten sollten sich stärker in dieser Richtung orientieren, es macht vor allem auch ihnen das Leben leichter. Unterm Strich bleibt wohl auch nach dieser Expertenrunde zumindest für die Kombination mit RLA-Feuerstätten ein hoher Erfüllungsaufwand in der Umsetzung. Im Ergebnis werden die Verbraucherentscheidungen auch aus finanzieller Sicht dann eher zwischen Einzelfeuerstätte und Lüftungslösungen getroffen.

K&L-Magazin: Zurzeit läuft eine Praxis-Evaluation zu den vom Expertenrat getroffenen Vereinbarungen. Diese beinhaltet ein „Worst Case-Szenario“. Weshalb ist dies nötig und was genau wird diesbezüglich aktuell untersucht?

Uwe Schumann: Die DIN 1946-1 beschreibt die Auslegungsrandbedingungen der Wohnungslüftung und in Beiblatt 1 der DIN 1946-6 werden unter anderem verschiedene lüftungstechnische Beispielanlagen beschrieben. Auf dieser Basis wird die Feuerstätten-Thematik dann in den Beiblättern 3 und 4 derselben Norm überarbeitet. Hierbei werden dann die Erkenntnisse und Vereinbarungen der Expertenrunde (HKI, FGK usw.) Berücksichtigung finden. In diesem Rahmen laufen dazu wissenschaftliche Betrachtungen, wie Unterdrücke verschiedener lüftungstechnischer Lösungen zu ermitteln sind und in welcher Höhe diese am Ende ausfallen können. Im angesprochenen Worst Case-Szenario wird also immer auch die denkbar ungünstigste Situation mit zu betrachten sein. In Klärung ist aktuell zum Beispiel, ob eine Umsetzbarkeit von RLUA-Feuerstätten und dezentralen alternierenden Einzelraumgeräten ohne zusätzliche Sicherheitseinrichtungen möglich ist. Diese Einzelraumlösungen können ja mehrere Räume gleichzeitig beeinflussen und werden innerhalb einer Nutzungseinheit häufig auch mit Entlüftungslösungen nach DIN 18017-3 kombiniert. Hier müssen also mögliche Unterdrücke von zwei Systemansätzen kombiniert betrachtet und bei gleichzeitigem Betrieb auch deren Wechselwirkungen ermittelt werden. Im Ergebnis können dann die Berechnungsansätze für vielfältige lüftungstechnische Lösungsansätze ebenso beschrieben werden wie deren Kombinationsvoraussetzungen mit Feuerstätten.

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ K&L E-Paper-Ausgabe – acht Ausgaben im Jahr 
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
 

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen

Tags