Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
/// Kachelofenbau in Kanada

Praxiserfahrungen einer Keramikerin

Jessica Steinhäuser lebt und arbeitet in Guelph, einer Stadt rund 100 Kilometer westlich von Toronto. „Es ist keine aufregende Gegend, aber sie hat mich aufgenommen“, sagt sie. Geboren in Deutschland, wanderte sie mit Anfang 20 nach Abschluss ihres Studiums an der staatlichen Schule für Kunst und Design in Nürnberg und der staatlichen Keramikschule in Landshut nach Kanada aus, wo sie 1989 ein eigenes Studio „Stone House Pottery“ gründete, in dem sie zunächst überwiegend Geschirr, Gefäßkeramik und künstlerische Mosaike herstellte.

Ich liebe es, wenn Leute mein Werk streicheln, dann weiß ich: Der Ofen hat sie berührt.«

Jessica Steinhäuser

Kanada – ein Land ohne Kachelofentradition

Kanada, das machte Steinhäuser in ihrem Vortrag deutlich, ist kein Land mit gewachsenen Kachelofen-Traditionen. Genau dieses Betätigungsfeld reizte sie allerdings, weshalb sie sich Anfang der 2000er mit ersten Entwürfen auch auf dieses Feld begab. Fachliche Expertise gewann sie unter anderem durch einen Fortbildungsaufenthalt in Österreich bei Hafnermeister Mario Zauner, der auch ihr ständiger Partner für den Aufbau der Öfen in Kanada ist. „Bei uns in Kanada gibt es keine Hafner. Es gibt ‚masonry heater builders’ – und manchmal weiß selbst die Baubehörde nicht, was wir da eigentlich machen.“ Mit augenzwinkernder Ironie schilderte sie, wie schwer es sei, einem nordamerikanischen Architekten zu erklären, dass ein Ofen nicht einfach nur ein „fireplace insert“ sei. „Ich habe Kunden, die nennen mein Produkt ‚a heating sculpture’ – das trifft es irgendwie ganz gut.“ Dabei ist der Weg zur Genehmigung in Kanada oft eine Gratwanderung. Es gibt keine flächendeckenden Normen, die für alle Provinzen gelten. „Mal sagt die Bauaufsicht: ‚Das ist ein Kamin’, mal: ‚Das ist ein Kunstwerk’. Am besten ist es, wenn sie sich gar nicht sicher sind – dann darf ich ihn meistens bauen“, lacht sie. Und fügt an: „Ich bin mittlerweile ganz gut im Papiere sortieren und Leute überzeugen.“ Einige ihrer Ofenkreationen erinnern an moderne Skulpturen, andere an klassische europäische Kachelöfen. Aber stets ist die Formensprache eigenständig, oft überraschend, und fast immer auf den Ort und den Menschen dahinter abgestimmt. „Ich mache keine Katalogware“, betont sie. „Meine Öfen entstehen im Dialog mit den Kunden. Manchmal monatelang.“

Als Kachelhersteller in Kanada habe ich eine gewisse Freiheit im Vergleich zu den Trends in Deutschland«.

Jessica Steinhäuser

Lehm, Feuer und Verantwortung

Zentrales Thema ihrer Arbeit ist der verantwortungsvolle Umgang mit Material und Energie. Steinhäuser baut Speicheröfen mit großem Anteil an handgeformter Keramik – vorzugsweise mit lokalem Ton. „Ich sehe es als meine Verantwortung, dass das was ich baue langlebig ist und nicht nur schön aussieht.“ Ihre Öfen sind technisch präzise geplant, trotz aller künstlerischen Freiheit. Dabei arbeitet sie mit erfahrenen Ofenbauern zusammen – zum Beispiel mit ihrem Kollegen Norbert Senf, einer der Koryphäen des kanadischen Ofenbaus. Gemeinsam realisieren sie große Anlagen, die nicht selten als alleinige Heizquelle für ganze Häuser dienen. „Wir reden hier nicht über eine romantische Kaminfeuer-Ästhetik – sondern über echte Wärmeversorgung.“ Ein Thema, mit dem sich auch die Masonry Heater Association of North America (MHA) beschäftigt, in der Jessica Steinhäuser seit 15 Jahren Mitglied ist – seit einiger Zeit auch im Vorstand. Auch wenn es sich um einen nordamerikanischen Verband handelt, hat er weltweit Unterstützer in über 15 Nationen, vor allem auch in Europa. Man trifft sich einmal jährlich zur MHA Conference in Wildacres in den Blue Ridge Mountains/Appalachian in North Carolina (USA). Hier werden in Praxisseminaren Ofenbautechniken vermittelt und Keramikschulungen durchgeführt und internationale Geselligkeit gepflegt.

Sozialprojekt „Masons on a Mission“

Über die MHA kam Jessica Steinhäuser zu „Masons on a Mission“ (MOM), was übersetzt „Steinmetze mit einer Mission“ heißt. Die nicht religiöse Mission besteht darin, armen Familien in Guatemala durch den Bau von Herden mit Rauchabzug zu einem sichereren und gesünderen Leben zu verhelfen, denn auch dort wird häufig noch am offenen Feuer mitten im Haus gekocht. Die Arbeit und Zielsetzung ähnelt damit dem Engagement der „Ofenmacher“ in Nepal, Kenia und Äthiopien.

Zentrales Thema von Jessica Steinhäusers Arbeit ist der verantwortungsvolle Umgang mit ­Material und Energie. «

Zwischen Baustelle und Galerie

Was Jessica Steinhäusers Vortrag so mitreißend machte, war die Mischung aus künstlerischem Selbstverständnis und handwerklicher Bodenständigkeit. Steinhäuser baut nicht für Galerien, sondern für Menschen. Und dennoch stehen ihre Arbeiten manchmal in Museen – wie zum Beispiel der „Raku-Stove“, den sie als Beispiel für die Verbindung von keramischer Oberfläche und Speichertechnik präsentierte. „Ich liebe es, wenn Leute mein Werk streicheln“, sagte sie mit einem spitzbübischen Grinsen. „Dann weiß ich: Der Ofen hat sie berührt. Und nicht nur gewärmt.“ Und wenn man sie fragt, ob sie irgendwann wieder nach Deutschland zurückkehren würde? Dann winkt sie ab: „Hier drüben gibt’s noch so viel zu tun. Und so viele Häuser ohne Seele – oder ohne echten Ofen.“

Ein Vortrag wie ein wärmendes Feuer

Steinhäusers Vortrag war keine nüchterne PowerPoint-Präsentation mit Daten, Normen und Detailzeichnungen – sondern eine leidenschaftliche Liebeserklärung an das Feuer, an Formensprache und an die Kunst des Bauens mit Ton und Kachel. Und: an das, was sie mit einem Augenzwinkern ihr „Leben zwischen den Welten“ nennt. Am Ende hatte man das Gefühl, selbst eine Reise durch den kanadischen Winter gemacht zu haben – mit Zwischenstopps in Rohbauten bei Minus 21 Grad (ihrer „kältesten Baustelle“), in Designerhäusern und immer wieder in ihrer Werkstatt, wo Ton, Holz und Wärme zueinanderfinden. Jessica Steinhäuser ist keine Technikerin im klassischen Sinne. Sie ist: eine Gestalterin mit Keramik und Feuer. Und dieser Funke sprang im Vortrag über – vielleicht gerade, weil sie so offen, charmant und unbeirrbar ihren Weg beschreibt. Wenn also beim nächsten Kunden jemand nach einem „kanadischen Speicherofen“ fragt – man weiß jetzt, an wen man denken sollte.

Jessica Steinhäuser ist keine Technikerin im klassischen Sinne. Sie ist: eine Gestalterin mit Keramik und Feuer. «

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ K&L E-Paper-Ausgabe – acht Ausgaben im Jahr 
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
 

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen