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Künstliche Intelligenz

ChatGPT: ein hilfreiches Tool im Verbund mit Menschen?

Ende 2022 schaltete das Unternehmen OpenAI sein Programm ChatGPT für die allgemeine kostenlose Nutzung frei. Seitdem ist rund um das Thema künstliche Intelligenz (KI) ein regelrechter Hype entstanden – insbesondere in den vertriebsnahen Bereichen der Unternehmen sowie bei den Dienstleistern, die für sie tätig sind.

Und nicht wenige von ihnen wie zum Beispiel viele Werbetexter befürchten, dass ihnen bei einer intensiven Nutzung solcher Programme wie ChatGPT, Google Bard & Co durch die Unternehmen Aufträge verloren gehen. Zu Recht, denn mit ihnen lassen sich sehr schnell und einfach zumindest erste Entwürfe solcher Werbetexte wie

  • Posts in den Social Media zur Lead-Generierung,
  • Standard-Mails und Werbeschreiben an (Ziel-)Kunden
  • Blogbeiträge generieren, die man dann weiterbearbeiten kann.
  • ChatGPT ist ein mächtiges Tool, doch …

    Denn diese Programme können viel schneller als Menschen das Internet nach Inhalten durchforsten, die bezogen auf ein bestimmtes Thema relevant sein könnten. Das erspart oft viel Recherchearbeit. Doch nicht nur dies! Die Programme können dank ihrer Algorithmen die gefundenen Inhalte auch so verknüpfen, dass zumindest sinnvoll und zielführend erscheinende Texte entstehen. Und dies wird ihnen künftig immer besser gelingen, je klüger sie programmiert und trainierter sie sind. So existieren zum Beispiel heute bereits sogenannte generative KI-Systeme, die anhand erkannter Muster neue Inhalte generieren können.

    … ChatGPT kann nicht selbstständig denken!

    Eines können die Chatprogramme aber (noch) nicht: selbstständig und eigeninitiativ denken. Sie brauchen den von Menschen gegebenen Impuls beziehungsweise rompt genannten Auftrag „Suche nach… “ und „Generiere daraus…“. Und die Qualität der von ihnen gelieferten Ergebnisse (Texte, Bilder, Zeichnungen, Videos usw.)? Sie hängt weitgehend von der Qualität der Prompts ab, die den KI-Programmen gegeben werden – also von der Intelligenz und Kompetenz ihrer menschlichen User.

    Doch selbst dann können die Programme letztlich nur die Inhalte verarbeiten und in mehr oder minder effektiver Form wiedergeben, die sich schon im Netz befinden. „Herumspinnen“ und träumen, fantasieren und ganz neue Ideen sowie Lösungsansätze entwickeln, das können die rein logisch „denkenden“ Programme (noch) nicht. Das ist noch ein Privileg von uns Menschen.

    ChatGPT kann nicht „out of the box“ denken

    Oder anders formuliert: Die Programme können nicht „out of the box“ denken. Deshalb kann man mit ihrer Hilfe zwar Texte wie Posts zur Lead-Generierung und Standard-Mails zur Beziehungspflege mit Kunden erstellen, die aufgrund der in ihnen enthaltenen Stichworte und Formulierungen eine Vielzahl der adressierten Leser ansprechen; speziell dann, wenn diese einige gemeinsame Merkmale aufweisen – wie zum Beispiel, dass sie alle für produzierende Unternehmen arbeiten, die

  • mit Lieferproblemen und hohen Energiekosten kämpfen und/oder
  • aufgrund des Fach- und Führungskräftemangels Probleme mit der Personalbeschaffung haben.
  • Schwierigkeiten bereitet es den Programmen aber meist schon, die im Netz gefundenen Inhalte sprachlich so zu verpacken, dass sie die Adressaten (aufgrund ihrer Funktion in der Organisation, also zum Beispiel Werks-, Einkaufs- oder Personalleiter) auch emotional ansprechen – was im Marketing- und insbesondere Vertriebsprozess wichtig ist.

    Foto: nilanka - stock.adobe.com

    Als Partner gut, aber der Mensch muss die Oberhand behalten.

    Im B2B-Vertrieb kommt man mit „Allgemeinplätzen“ meist nicht weit

    Das heißt, wenn es um die allgemeine Kundenansprache beziehungsweise das „Flagge-zeigen-im-Markt“ geht, können diese Systeme durchaus hilfreiche Tools sein. Anders sieht es jedoch aus, wenn es im B2B-Vertrieb zum Beispiel darum geht,

  • den Kaufentscheidungsprozess im Buying-Center gewisser Unternehmen gezielt voranzutreiben oder
  • bei Bestandskunden den Lieferumfang zu erhöhen.
  • Dann kommt man mit den Text- beziehungsweise Lösungsvorschlägen der KI-Programme meist nicht weit. Denn hierfür ist es notwendig,
  • in der (schriftlichen und mündlichen) Kommunikation mit den Zielkunden auf den spezifischen Bedarf des jeweiligen Unternehmens sowie der Entscheider in ihm einzugehen und
  • ihnen individuelle Problemlösungen zu skizzieren beziehungsweise aufzuzeigen, die deren Ist-Situation und (Entwicklungs-)Ziele berücksichtigen.
  • KI-Systeme sind nicht immer „intelligent“, aber leistungsfähig

    Die generelle Stärke solcher KI-Programms wie ChatGPT ist: Sie können die im Netz bereits vorhandenen Informationen zusammenfassen und strukturiert wiedergeben. Sie können aber nicht einschätzen, inwieweit diese für einzelne Unternehmen relevant sind. Sie können zudem nicht einschätzen, inwieweit die betreffenden Informationen auch künftig noch relevant sein werden – zum Beispiel, weil aktuell

  • die Preise durch die Decke gehen oder/und
  • sich die Kundenwünsche massiv ändern.
  • Also können sie auch nicht hierauf aufbauend etwas Neues, Zukunftsweisendes entwickeln. Deshalb empfiehlt sich bei allen von KI-Systemen vorgeschlagenen Problemlösungen eine Plausibilitäts-Prüfung. Denn „intelligent“ sind diese Systeme nur sehr bedingt; sie sind aber extrem leistungsfähig, sofern sie von Menschen klug programmiert und gut trainiert wurden.

    Gefahr: Lösungsvorschläge werden unreflektiert übernommen

    Gerade, weil die KI-Programme so leistungsfähig und bei Aufgaben, die das Verarbeiten vieler Daten erfordern, uns Menschen so haushoch überlegen sind, ruht meines Erachtens jedoch eine große Gefahr in einer sehr intensiven KI-Nutzung – nicht nur im Marketing- und Vertriebsbereich, sondern bei allen Prozessen, die letztlich auch Entscheidungen erfordern, schlagen wir diesen oder jenen Weg ein.

    Gerade weil die KI-Systeme oft im Handumdrehen zumindest zielführend erscheinende Lösungsvorschläge präsentieren, findet eine echte Prüfung von diesen im Betriebs-alltag häufig nicht mehr statt – sei es aus Bequemlichkeit oder aufgrund einer Arbeitsüberlastung. Oder weil das eigenständige Entwickeln von Lösungen die User schlicht überfordert, was sie sich und/oder anderen jedoch nicht eingestehen möchten, weshalb sie lieber ein KI-System befragen als beispielsweise einen Kollegen zu bitten „Kannst du mich dabei unterstützen…?“

    Überall abrufbar und stets zu Diensten: die künstliche Intelligenz.

    Foto: Supatman - stock.adobe.com

    Überall abrufbar und stets zu Diensten: die künstliche Intelligenz.

    Im B2B-Vertrieb gehen wichtige Skills verloren

    Das heißt, die für den Vertrieb verantwortlichen Mitarbeiter und Führungskräfte nehmen gewisse Aufgaben, die zu ihrer Funktion gehören, nicht mehr oder nur noch bedingt wahr, wie etwa

  • das Bedenken gewisser Wechselwirkungen und Sachzwänge bei der Lösungsfindung,
  • das Durch-denken der Lösungsideen bezüglich ihrer Machbarkeit in einem bestimmten Unternehmensumfeld,
  • Das Quer-denken, um mögliche alternative Problemlösungen zu entdecken.
  • Dies kann bedauerlicherweise mit der Zeit dazu führen, dass bei ihnen gewisse intellektuelle Fähigkeiten nicht mehr (weiter-)entwickelt werden, die sie unbedingt für eine professionelle Marktbearbeitung und ein gezieltes Führen der Kunden zur gewünschten Kaufentscheidung brauchen. Dass bei einer intensiven Nutzung digitaler Tools, die zweifelsohne wertvolle Hilfsmittel sind, oft auch Skills verloren gehen, beobachte ich bei meinen Coachings immer wieder. So zum Beispiel, wenn ich mit jungen Vertrieblern zu Kunden fahre. Funktioniert dann das Navi nicht oder wurden Daten nicht korrekt eingegeben, fehlt ihnen heute nicht selten jegliche Orientierung, wie komme ich ans Ziel.

    Intellektuelle Abhängigkeit von den KI-Systemen vermeiden

    Ebenso stelle ich in Verkaufstrainings immer wieder fest: Viele jüngere Verkäufer sind im Kopfrechnen nicht mehr fit, weil sie im Alltag Rechenaufgaben stets mit einem Taschenrechner lösen. Dabei ist diese Kompetenz zum Beispiel in Preisverhandlungen oft extrem wichtig, beispielsweise um gedanklich zu überschlagen, welche Auswirkungen ein potenzieller Preisnachlass auf die Gewinnmarge hat. Dass ein ähnlicher Verlust von Fähigkeiten auch mit einer intensiven Nutzung von KI-Programmen wie ChatGPT einhergehen könnte, darüber sollten Unternehmen zumindest nachdenken, um zu verhindern, dass ihre Marketing- und Vertriebsmitarbeiter

  • von der künstlichen Intelligenz intellek- tuell abhängig werden und
  • die Kompetenz verlieren zu checken, ob deren Lösungsvorschläge überhaupt zielführend sind.
  • KI-Systeme im B2B-Vertrieb selektiv und gezielt nutzen

    Die vorangegangenen Ausführungen sollen kein Votum gegen eine Nutzung von ChatCPT & Co im Marketing- und Vertriebsprozess sein. Im Gegenteil! Auch wir von Peter Schreiber & Partner checken unter der Überschrift „Web-Aided-Selling (W.A.S.)“ seit Jahren, wie man das Internet und Social Media für den Vertriebserfolg nutzen kann. Seit Anfang des Jahres tun wir dies auch bezüglich der Möglichkeiten, die KI-Systeme zum Optimieren des Salesfunnel im B2B-Vertrieb bieten.

    Dabei schält sich folgende Faustregel heraus: Im Bereich Werbungbeziehungsweise, wenn es primär darum geht,

  • die „Attention“ beziehungsweise Aufmerksamkeit der Zielkunden zu wecken und
  • generell für die gewünschte Bekanntheit eines Unternehmens oder Produkts zu sorgen,
  • erweisen sich solche Tools wie das ChatGPT als sehr hilfreich. Je weiter der Verkaufs- beziehungsweise Vertriebsprozess bezogen auf gewisse Kunden jedoch fortgeschritten ist, umso stärker ist der Verkäufer mit seiner Erfahrung, Marktkenntnis und emotionalen Intelligenz gefragt.

    Konkret heißt dies: Der Faktor Mensch verliert bei einer verstärkten KI-Nutzung im Vertrieb nicht an Bedeutung, solange wir diese Tools gezielt für unsere Interessen nutzen und uns nicht selbst zu deren Handlangern degradieren.

    Peter Schreiber
    Peter Schreiber ist Inhaber der B2B-Vertriebs- und Managementberatung Peter Schreiber & Partner in Ilsfeld bei Heilbronn (www.schreiber-training.de). Er ist unter anderem Referent an der ­IHK-Akademie München in Westerham und bei WEKA Industriemedien in Wien sowie Lehrbeauftragter an der Hochschule Mannheim.

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