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 Reportage

Haus und Ofen aus dem 3D-Drucker

Den abgebrochenen Toasterhebel im heimischen 3D-Drucker nachbauen oder der 3D-gedruckte Designerstuhl aus dem Internet – längst keine Zukunftsmusik mehr. Aber ein ganzes Haus? Wie gut das funktioniert, demonstrierte ein engagiertes Team von Machern an diesem innovativen Einfamilienhaus in Beckum.

Es ist beeindruckend, wie schnell so ein gedrucktes Haus in die Höhe wächst: Das Erdgeschoss stand in zirka vier Wochen, das Obergeschoss benötigte nur sechs Tage Druckzeit. Dabei holte man ganz bewusst nicht das Maximum an Geschwindigkeit heraus, da man mit der Produktion eines kompletten Hauses vor Ort Neuland betrat und den Ablauf exakt im Blick haben wollte. Schicht für Schicht presst der Bauroboter sechs Zentimeter breite und zwei Zentimeter hohe Stränge aus Spezialbeton heraus und lässt wie von Geisterhand einen Quadratmeter Wand in fünf Minuten entstehen. Zwei Personen genügen, um das Gerät zu bedienen. Damit das Haus die energetischen Anforderungen erfüllt, bestehen die Außenwände aus einer mehrschaligen Konstruktion, die mit einer Schüttdämmung aus Perlite verfüllt ist. Für die nicht tragenden, zwölf Zentimeter breiten Innenwände setzt der Drucker dagegen zwei Stränge direkt aneinander.

Aussparungen werden berücksichtigt

Schon während des Druckvorgangs werden die später zu verlegenden Leitungen und Anschlüsse für Wasser, Strom etc. sowie Öffnungen in der Wand berücksichtigt. So stoppt der Drucker automatisch an Stellen, wo später beispielsweise Steckdosen sitzen und fährt punktgenau hinter der Aussparung mit dem Drucken fort. Auch das trägt zur Beschleunigung des Bauprozesses bei, denn dadurch entfällt das lästige Schlitzeklopfen, nachdem der Rohbau fertiggestellt ist. Horizontale Elemente wie die Decken kann der Drucker noch nicht fertigen. Für diese kamen deshalb im Werk ­gefertigte Filigrandecken zum Einsatz, die vor Ort mit Beton verfüllt wurden.

Generell zwingt die Konstruktionsweise im 3D-Druck zu einer minutiösen Planung vor Baubeginn. Deshalb sollten Planer und Bauherren auch zu Kleinigkeiten wie der Platzierung jedes Lichtschalters eine Entscheidung gefällt haben.

Charakteristisch für die Architektur des Gebäudes ist die produktionsbedingte rillenartige Struktur der Wandoberflächen und das Fehlen von Ecken und Kanten. Architekt Waldemar Korte schöpfte das Potenzial des Druckverfahrens, schwungvolle Formen zu schaffen, voll aus. In konventioneller Bauweise wäre dies nur mit einem hohen konstruktiven Aufwand möglich. Inzwischen wurde dieses innovative Potenzial mit dem German Innovation Award honoriert.

Nach acht Monaten Bauphase war das Haus im Juli 2021 bezugsfertig. Am Anfang wohnte allerdings niemand ­darin, denn es sollte erst einmal für Interessierte zur Besichtigung zugänglich sein. Hier begleitete die Technische Universität München das Gebäude wissenschaftlich und prüfte die Konstruktion auf Herz und Nieren. Am 1.7.2022 ist das Einfamilienhaus seiner eigentlichen Bestimmung übergeben worden und wird von den Bewohnern auf seine ­Alltagstauglichkeit getestet.

Nachgefragt bei Architekt Waldemar Korte

K&L-Magazin: Wie kamen Sie dazu, ein Haus aus dem 3D-­Drucker zu planen?

Waldemar Korte: Ein uns bekannter Unternehmer brachte uns auf die Idee, das erste gedruckte Gebäude Deutschlands in Beckum zu errichten. Wir waren direkt davon überzeugt, dass dies bau- und genehmigungstechnisch umsetzbar ist und haben uns aus Pioniergeist des Themas angenommen.

K&L-Magazin: Welche Vorteile hat der Hausbau im 3D-Druck?

Waldemar Korte: Formfreiheit in der Gebäudegestaltung, Schnelligkeit in der Umsetzung, das heißt 30 Prozent schneller als andere Massivbauweisen. Materialersparnis – dadurch Schonung von Ressourcen –, da schlankere Wände machbar sind. Personaleinsparung, da die Baustelle mit nur 2 Personen besetzt werden muss.

K&L-Magazin: Welche Besonderheiten mussten Sie bei der Planung berücksichtigen?

Waldemar Korte: Die komplette Planung muss digital am 3D-Gebäudemodell erfolgen. Alle Fachplanungen sollten ihren Input zum Gebäudemodell liefern, um eine vollständige interdisziplinäre Planung zu generieren. Somit können sowohl Leitungswege als auch Wanddurchführungen bereits im 3D-Druck berücksichtigt werden. Dies spart Zeit bei den nachfolgenden Gewerken wie zum Beispiel Elektro, Sanitär oder Lüftung.

K&L-Magazin: Welchen Einfluss hatte die Herstellung im 3-D-Druck auf die Gestaltung des Hauses und gibt es Einschränkungen in der Gestaltungsfreiheit?

Waldemar Korte: In der Grundrissgestaltung sind alle erdenklichen Frei-formen möglich. Einschränkungen gibt es in der Horizontalen keine. In der Vertikalen sind Neigungen von zirka 5–7 Grad möglich, immer abhängig vom Druckmaterial. Zudem sind vielfältige Fassadengestaltungen mit dem Druckmörtel umsetzbar.

Die Umhüllung des Heizkamins „Speedy Ph“ von Spartherm wurde bereits im Rohbau im 3D-Druck gefertigt. Das macht ihn zu einem integralen Bestandteil des Hauses.

Foto: Foto: Peri GmbH, Mense-Korte Ingenieure+Architekten

Die Umhüllung des Heizkamins „Speedy Ph“ von Spartherm wurde bereits im Rohbau im 3D-Druck gefertigt. Das macht ihn zu einem integralen Bestandteil des Hauses.
Der Druckkopf bewegt sich über drei Achsen an einem fest installierten Metallrahmen.

Foto: PERI GmbH

Der Druckkopf bewegt sich über drei Achsen an einem fest installierten Metallrahmen.
Ungewöhnlich ist nicht nur die Herstellung des Hauses, sondern auch die Architektur mit ihren schwungvollen Rundungen.

Foto: Foto: Peri GmbH, Mense-Korte Ingenieure+Architekten

Ungewöhnlich ist nicht nur die Herstellung des Hauses, sondern auch die Architektur mit ihren schwungvollen Rundungen.
Die runden Formen der Außenarchitektur finden sich auch im Haus­inneren wieder, zum Beispiel in der halbgewendelten Treppe oder den gerundeten „Raumecken“.

Foto: Foto: Peri GmbH, Mense-Korte Ingenieure+Architekten

Die runden Formen der Außenarchitektur finden sich auch im Haus­inneren wieder, zum Beispiel in der halbgewendelten Treppe oder den gerundeten „Raumecken“.
Die Küche schließt sich übereck an den Wohn-Essbereich an. Ihre moderne Einrichtung in Schwarz passt gut zu den charakteristisch gerillten Betonwänden.

Foto: Foto: Peri GmbH, Mense-Korte Ingenieure+Architekten

Die Küche schließt sich übereck an den Wohn-Essbereich an. Ihre moderne Einrichtung in Schwarz passt gut zu den charakteristisch gerillten Betonwänden.
Architekt Waldemar Korte.

Foto: Foto: Peri GmbH, Mense-Korte Ingenieure+Architekten

Architekt Waldemar Korte.

Daten & Fakten

Foto: Foto: Peri GmbH, Mense-Korte Ingenieure+Architekten

Daten und Fakten Entwurf: 3D-Haus Beckum

Planung: Mense – Korte Ingenieure + ­Architekten, Beckumwww.mense-korte.de

Wohnfläche: 160 m2, 

Konstruktion: Außenwände aus Spezialbeton im 3-D-Druck, 160 mm Perlite-Schüttdämmung, U-Wert 0,26 W/m2K; Flachdach, 260 mm Dämmung aus Schaumglasplatten, U-Wert 0,20 W/m2K; Holz-Alu-Fenster, Ug-Wert 0,7 W/m2K

Technik: Luft-Wasser-Wärmepumpe, Fuß­bodenheizung, Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, Smart-Home-Technik,

Heizkamin: Spartherm GmbH, 49324 Melle, www.spartherm.de

Ofenbauer: Liekenbröcker GmbH, 59269 Beckumwww.fliesenundkamine.de

Energiebedarf: Primärenergiebedarf 33,5 kWh/m2a, ­Endenergiebedarf 18,6 kWh/m2a, KfW-Effizienzhaus 55

Architektonische Details spielen ganz bewusst mit der besonderen Materialität des gedruckten Betons, seiner Rillenstruktur und den runden ­Formen, die er ermöglicht.

Foto: Foto: Peri GmbH, Mense-Korte Ingenieure+Architekten

Architektonische Details spielen ganz bewusst mit der besonderen Materialität des gedruckten Betons, seiner Rillenstruktur und den runden ­Formen, die er ermöglicht.

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